Unter der Leere

Ein Ausstellungsprojekt im digitalen Raum an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar

Shirin Dhear, Amrei Schöntag, Florence Kallenborn, Lisa-Marie Kästner, Alice Creutz & Emilia Elouardi, Liliann Haase, Jake Flamma, Annalena Hollmann, Marie Fernschild, Marie Chauveau, Antoine Röckel, Ainhoa Nomdedeu-Gies, Flora Hackenberger, Melanie Herbig, Nina Nocke, Rahel Knobbe, Janek Struchholz, Jonas Rieger, Johanna Brandenburg, Lena Wittlinger, Lilian Voth, Ole Zander, Helena Fadinger und Ana Stojanov

Zur »summaery2020 remote« startet die virtuelle Gruppenausstellung »Unter der Leere« von Bachelorstudierenden aus dem Studiengang Medienkultur. Das Projekt thematisiert die scheinbare Ereignislosigkeit, mit der die Gesellschaft aufgrund der momentanen Ausnahmesituation konfrontiert wird. Die 26 Videoarbeiten der Ausstellung sind im Rahmen des Bauhausmoduls »Künstlerische Projektarbeit« entstanden, das von Alexander Steig, Künstler und Kurator aus München, geleitet wurde. Die zunächst räumlich geplante Ausstellung findet nun digital statt. Ab dem 30. Juli 2020 kann sie für ein Jahr auf der Seite www.unter-der-leere.de besucht werden.

Die Ausstellung »Unter der Leere« befasst sich mit der Zeitspanne, in der Covid-19 begonnen hat, das Leben der ganzen Weltbevölkerung auf den Kopf zu stellen und zeigt somit die Perspektive der Studierenden des Seminars. Die Epidemie wurde zur Pandemie und seither bestimmen Einschränkungen unseren Alltag. Stillstand, Leere, Ereignislosigkeit werden neben diversen weiteren Impressionen in den 26 Kurzfilmen vermittelt. Hierbei wird nicht nur das aktuelle Zeitgeschehen dokumentiert, sondern vielmehr auch subjektive Eindrücke und Empfindungen in den »Videostilleben« der Studierenden umgesetzt, die die pandemischen Zeit visualisieren.

Von der Ideenfindung über die Konzeption bis hin zur endgültigen Umsetzung begleitete Alexander Steig die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts. Es ist dieser Prozess, der den Kern des Moduls bildete. Die Suche nach einem interessanten, vielschichtigen Thema und dessen möglichen künstlerischen Ansätze ist schließlich nicht das Einzige, was in der Ausstellungsvorbereitung angegangen werden musste. Es stellte sich auch die Frage nach einem passenden, ansprechendem und vor allem verheißungsvollen Ausstellungstitel und -motiv. So entstand etappenweise interaktiv und in vielen Gesprächen das Videoprojekt.

Die Wahl des Videofilms - also des Bewegtbildes - erscheint zunächst vielleicht etwas unkonventionell, um ausgerechnet den Stillstand auszudrücken. Würde sich dazu ein Foto nicht viel besser eignen? Es ist aber gerade dieses Paradox, das den Reiz der filmischen Darstellung des alltäglichen Ausnahmezustands ausmacht. Während ein Foto nur einen prägnanten Augenblick, einen kurzen Ausschnitt des Geschehens oder Nicht-Geschehens einfängt, ermöglicht ein dreiminütiges »Videostilleben« einen » erweiterten Zustand« zu transportieren. Darüber hinaus eröffnen die Kurzfilme den Betrachterinnen und Betrachtern einen Raum für die eigene Auseinandersetzung, sowohl mit den ausgestellten Gedanken als auch mit den eigenen Empfindungen bezüglich der durch Covid-19 dominierten Zeit.

Erliegender Nahverkehr, ein schlafender Hund, eine vertrocknete Pflanze - in unterschiedlicher Umsetzung visualisieren die Studierenden in ihren Videoarbeiten ihre diesbezüglichen Eindrücke, werfen aber auch Fragen auf: Wie verhält sich die Zeit während einer herrschenden Ereignislosigkeit und welche Auswirkungen hat dies auf unser Zeitempfinden? Wie gehen wir mit den Einschränkungen um? Und ist Quarantäne mit Gefangenschaft gleichzusetzen? Auch unser Verhältnis zum Alltag wird in den Videos thematisiert und kleine Gesten des Alltäglichen in den Fokus gerückt. Ein offenes Fenster stellt die Schnittstelle zwischen Innen und Außen dar, die Bedeutung einer Auszeit im schnelllebigen Alltag wird betont. Welche Erwartungen sind eigentlich an Pausen geknüpft und muss die Leere gefüllt werden?

Das Ausstellungsprojekt »Unter der Leere« thematisiert die Leere selbst. Was passiert unter der Leere in einem Raum, der von äußeren Einflüssen abgeschirmt ist und in dem sich alles in einer anderen Zeit zu bewegen scheint? Die Studierenden erzeugen ein Bild der Ereignislosigkeit, fordern zugleich jedoch, sich dem Stillstand nicht tatenlos gegenüberzustellen. Schauen wir also genau hin. Dorthin, wo wir sonst nicht schauen, weil so viele andere Dinge passieren und unsere Wahrnehmung schon von scheinbar Spannenderem beansprucht wird. Lenken wir unseren Blick auf die sonst als Nichtigkeiten abgetanen Dinge, die nebenbei ablaufenden Kleinigkeiten, in deren vermeintlicher Selbstverständlichkeit eine ganz eigene Faszination verborgen liegt.

Ort: www.Uni-Weimar.de/Unter-der-Leere
Laufzeit: 30.07.2020 bis 20.07.2021

Presse:
Florence Kallenborn, Marie Chauveau, Jake Flamma, Shirin Dhear, Lisa-Marie Kästner, Emilia Elouardi, Amrei Schöntag, Alice Creutz
Technik/WEB: Jonas Rieger, Ainhoa Nomdedeu-Gies
Grafik: Nina Nocke, Lilian Voth, Marie Fernschild, Melanie Herbig, Rahel Knobbe, Amelie Lippold, Ana Stojanov
Projektleitung: Alexander Steig

Ein Projekt des Studiengangs Medienkultur, Fakultät Medien, Bauhaus-Universität Weimar

 

Müll, hauptsächlich Plastik, untermalt von einer ebenso alltäglichen Geräuschkulisse, des Straßenlärms. Kein ungewohntes Bild, dennoch repräsentiert genau dies ein weltweites, häufig thematisiertes und dennoch so aktuelles und relevantes Problem, dass in jedem Alltag zu finden ist. "Alles Müll?" führt vom Titel direkt an die Ambivalenz von Produktion und Konsum sowie deren Folgen heran.

Die Zubereitung eines Tees ist eine gewöhnliche Tätigkeit in unserem Alltag. Während des Vorgangs in dem das Wasser das Aroma des Teebeutels annimmt, vollzieht sich eine kontinuierliche Farbveränderung. Diese Bewegung im Bild nimmt man nicht bewusst wahr und beobachtet dennoch aufmerksam den vertrauten Ablauf. Die Studentin Rahel Knobbe bringt die Zuschauer mit ihrer künstlerischen Darstellung des ziehenden Teewassers dazu, sich die Selbstverständlichkeit des Alltags vor Augen zu führen.

Wahrscheinlich kennt jeder diesen Moment des „Aus dem Fenster Schauens“ während man an etwas arbeitet. Man erfährt einen Augenblick der Ruhe, der Entspannung und kann seine Gedanken ordnen, um einen Satz oder eine Idee zu formulieren, einen Stich zu setzten oder um sich zu erinnern. Der Blick aus dem Fenster ist die Pause zwischen den Aktivitäten und genau diesen Ruhepol versucht das Video einzufangen.

Ein Fernseher ohne Signal. Die schnelllebige Informationswelt wird zu einem Stop gezwungen. Dringen doch noch vereinzelte Informationen durch? Melanie Herbig durchsucht den vermeintlichen Blackout an einem schwarzen Bildschirm.


Durch die räumliche Trennung innerhalb meines Kurzfilms heben sich zwei Ebenen hervor. Auf der einen Seite befindet sich die Pfingstrose, welche den klassischen Stil eines Stilllebens repräsentiert. Auf der anderen Seite ist der Garten zu sehen, welcher das Leben und die Bewegung widerspiegelt.

Das Leben ist Zeit, die Zeit ist Leben, wir werden ununterbrochen damit konfrontiert. Die Uhr symbolisiert hier die weiter vergehende Zeit im Stillstand der Pandemie. Unser Alttag wurde still gelegt, doch die Zeit kann nicht gestoppt werden.

Eine Uhr ist ein Messgerät, um eine Zeitspanne zu messen oder den momentanen Zeitpunkt anzugeben, aber wer bestimmt was Zeit bedeutet und warum müssen wir sie messen? Welches Zeitgefühl entwickle ich, wenn ich keine Uhr habe, an der ich mich orientieren kann? Kann Zeit stillstehen und sich trotzdem in Bewegung befinden? Die Videopräsentation der Künstlerin Marie Fernschild zeigt die Differenzen zwischen der visuellen Repräsentation und dem empfundenen Ablauf der Zeit.

Das Unproduktive, das Alltägliche, der bewegte Stillstand des Alltags. All dies wird von einem kochenden Ei symbolisiert. Das Warten auf das Kochen des Wassers, das Warten, bis das Ei gekocht ist, das Warten auf die Wiederherstellung des Normalzustands der Welt in Zeiten der Pandemie. Bis dahin fließen die Tage vorüber und verschwimmen zu einem grauen Fluss, ähnlich wie der Wasserdampf des kochenden Wassers.

Mein Konzept war es, mich auf die Natur zu konzentrieren und zu zeigen, wie sie, gleichzeitig "still” bleibt und Bewegung überträgt. Dies dient auch als Metapher für die menschliche Natur, die sich um Bewegung dreht. Wasser, Wind und Blätter sind Faktoren, die das natürliche Leben beeinflussen, wie im Video dargestellt.

Das Video ist eine Metapher zum Leben in der Quarantäne. Der fließende Fluss ist das Leben, was an dem festhängenden Baum vorbeizieht.

Der Hund, der schläft.

Tanzen bedeutet Nähe und Körperkontakt, aber auch eine hohe Ansteckungsgefahr. Tanzverbot betrifft die ganze Klub- und Kulturszene. Fördermittel reichen meist nicht aus oder kommen nicht bei den Betroffenen an. Lichtwirbel macht auf die Situation in der Kulturszene aufmerksam und zeigt dem Zuschauer Lichteffekte, welche sonst riesige Räume beleuchten.

Das Video zeigt eine mechanische Drehung verschiedener Punktreihen welche einen hypnotischen Effekt auf den Betrachter hat, wobei eine Reihe vortäuscht sich scheinbar nicht zu bewegen. Die Bewegung der einzelnen Punkte, die als Masse fungieren lässt sich mit den Menschen dieser Zeit vergleichen - alle gemeinsam und doch alle unterschiedlich, manche schneller andere scheinbar unbewegt aber alle in gemeinsamer Rotation um die Erde.

Der Computer tritt heutzutage in vielen Erscheinungsmöglichkeiten auf. Es gibt sie in klein, in groß, zum klappen oder zum selbst zusammenbauen. Der klassische Computer jedoch befindet sich noch immer in einem stationären Gehäuse. Wagen Sie einen Blick hinein.

Die Monotonie des Alltags zeigt sich hier in Form des fließenden Stroms der Elektrizität. Für das menschliche Auge wird die Elektrizität nur in Form der erleuchteten Kabel erkennbar. Die Kabel an der Decke, an welchen normalerweise eine Lampe hängen sollte, stehen hier für den vollkommenen Stillstand, dem Verlust der Bewegtheit, während das kreisrunde Licht, das auf diese fällt, die Elektrizität und somit die Bewegung darstellt. Das Rauschen im Hintergrund ist kaum als Ton vernehmbar und doch ist eine monotone Bewegung passend zum Alltag.

Die Funktionsweise der unscheinbaren und fremden Objekte, mit denen wir das Spielen lernen, gibt Aufschluss über die gegenwärtigen Krisen. Am gezeigten Ort lernen wir im Kindesalter, was wir später im Erwachsenenalter wiederholen werden.

In dieser Videoarbeit fängt die statische Kamera einen fallenden Frühlingsschauer auf und ein. Auf diese Weise entsteht ein neuartiger, entfremdeter Ausblick, der die Grenzen zwischen Stillstand und Bewegung auszuloten versucht, Raumverhältnisse reflektiert und Tiefendimensionen ausreizt.

Mittels einer statischen Aufnahme einer Terrasse widmet sich die Studentin Florence Kallenborn der durch die Leere bedingten und bestimmten Pause. Muss eine Pause genutzt werden oder kann sie ein ereignisloser leerer Raum bleiben? Das Video stellt die Erwartungen an eine Pause in Frage und ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit einer leeren, nicht gefüllten Pause. 

Der Film „Wachs und Wein“ von Annalena Hollmann zeigt den Rückzug der Menschen vom Alltag. Die Fenster sind verdunkelt, während das Tageslicht versucht, sich seinen Weg in den Raum zu bahnen. Kerzen flackern und eine Weinflasche sticht ins Auge.

Die Ruhe, die das fliesende, “tänzerische” Wasser vermittelt, übermitteln den BesucherInnen eine Pause von dem Alltag, dem Stress, dem Hin und Her und so können sie zu einem mentalen Zustand kommen, der sich der Meditation ähnelt. Die Bewegung des Wassers, sei es die im Meer, Fluss oder See gibt ein Gefühl von Hypnose, durch die die BesucherInnen vom Bild mehr gepackt werden und sich so in die mehreren Dimensionen des Wassers, die Spiegelung etc. hineinvertiefen können.

Die Zeitung ist bewegter Stillstand. Das ruhige Medium der Ereignishaftigkeit wird auf einer Wiese gelesen, obwohl der Inhalt unwichtig ist.

Trotz des momentan vorherrschenden Stillstands, der einen jeden umgibt, schreitet die Zeit unaufhaltsam voran. Der Rauch steht sinnbildlich für die Zeit, er steigt kontinuierlich in die Luft. Der Aschenbecher und die Zigarette symbolisieren im Kontrast dazu das Nicht-Geschehen, den Stillstand.

Unbelebter öffentlicher Nahverkehr.

Über die zwanghafte Pause und die Gefangenschaft in den eigenen vier Wänden. Von ununterbrochener Bewegung zu einem plötzlich schwerelosen Punkt des Stillstands. Ein Zeitpunkt der Hilflosigkeit und der Überforderung. Der Lebensmittelpunkt verlagert sich an einen beschränkten, engen und doch heimischen Ort. Dem eigenen Zuhause. Was ist dort, was vorher nie auffiel durch die Hektik und den Stress im Alltag. Worauf fällt jetzt der detaillierte Blick, durch die Beschränkung der Möglichkeiten. Der neue Alltag ist ungewohnt und befremdlich, dort er birgt neue Möglichkeiten und Inspirationen mit sich und verändert jeden Menschen essenziell.

Unter der Leere
An exhibition in digital space

The group exhibition of media culture students "Unter der Leere / Under the Emptiness" will be shown at the “summaery2020remote”. Its topic is the eventlessness with which we are confronted due to the current exceptional situation. The total 26 video works were created during the Bauhausmodul "Künstlerische Projektarbeit", which was lead and accompanied by Alexander Steig, artist and curator in Munich. The exhibition is now taking place as a digital exhibition due to the given circumstances. Beginning from the 31.07. 2020 it can be found "unter-der-leere.de" for a year.

The exhibition "Unter der Leere" deals with the period in which Covid-19 began to turn the life of the entire world population upside down and shows the students perspective. The epidemic has become a pandemic and restrictions are increasingly shaping our daily lives. Standstill, emptiness, the lack of event/happening are conveyed in addition to various other impressions in the short films. Not only the current events are documented, but also subjective impressions and sensations are implemented in the student’s videos. In a total of 26 short films, the student’s personal feelings in the pandemic period are visualized in various ways.

Alexander Steig accompanied the students from the idea generation to the conception up to the final implementation. It is this process that formed the core of the module. After all, searching an interesting, multi-layered topic and its possible artistic approaches is not the only thing that needs to be addressed in the preparation of the exhibition. There is also the question of a suitable, appealing and above all promising exhibition title and motif. Thus, a video project was created stepwise and during many discussions.

The choice of the video format, the moving image may at first seem a little unconventional to express standstill. Wouldn't a photo be much better suited for that? It is precisely this paradox that illustrates the appeal of a depiction of the everyday state of emergency in a videoclip. While a photo captures only a precise moment, a short excerpt of what is happening or what is not happening, a three-minute videoclip enables a situation to be transported. In addition, the short films leave space for the viewer's own examination and engagement, both with the exhibited thoughts and with his own feelings regarding the time dominated by Covid-19.

Frozen local transport, a sleeping dog, a dried-up plant - in their videos, the students visualized their feelings in different ways, but raise questions that go beyond: How does time behave during a dominating lack of events and what effects does this have on our sensation of time? How do we deal with the restrictions? And is quarantine equivalent to captivity? Our relationship to everyday life is also addressed in the videos and small gestures of everyday life are focussed on. An open window represents the interface between inside and outside, emphasizing the importance of having a break of the fast-paced everyday life. What expectations are actually linked to intermissions and must the emptiness be filled?

The exhibition project „Unter der Leere“ addresses the “Leere” (emptiness) itself. What happens under the emptiness - in a space that is shielded from external influences and in which everything seems to move in a different time? The students create an image of non-eventfulness, but at the same time do not demand to stand still. So, let's take a closer look to where we don't look otherwise, because so many other things happen and our perception is already claimed by seemingly more exciting things. Let us pay attention to the things that are usually dismissed as voidness, the casual little things, in whose supposed self-evidentness lies a special fascination.


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